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„Si tacuisses!“ oder: „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht so laut brüllen“

Bei der Forderungsdurchsetzung gegen einen akut insolvenzgefährdeten Geschäftspartner kann ein insolvenzrechtlich unerfahrener Anwalt nur Fehler machen. Dies hat jetzt ein Anleger-Anwalt erfahren, der sich mit dem Insolvenzrecht ganz offensichtlich nicht auskannte.

In einem vom BGH jetzt entschiedenen Schadensersatzfall eines Mandanten gegen seinen Anwalt ging es um eine Fondsgesellschaft, die ein Schneeballsystem entwickelt und damit eine Vielzahl von Anlegern vorsätzlich geschädigt hatte („Göttinger Gruppe“). Der betroffene Anwalt hatte das Mandat von einer Vielzahl von Anlegern, deren Interessen er gegenüber der Fondsgesellschaft zu vertreten hatte. Er war insbesondere beauftragt, längst überfällige Ausschüttungen zu realisieren. Für den hiesigen Kläger hatte er artig einen Auszahlungstitel erstritten. Anstatt aber dann auch gleich die Zwangsvollstreckung zu betreiben und auf die 3-monatige Anfechtungsfrist zu spekulieren, schloss er 4 Monate später und an Stelle der Zahlungen mit der Fondsgesellschaft eine Vertrag über Verpfändung von Aktien. Die Aktien wurden 1 Jahr später veräußert und seine Mandanten erhielten im Ergebnis € 5 Mio. ausgeschüttet, was aber nur einem Bruchteil der fälligen Forderungen entsprach.

Weitere 6 Monate später beantragte er für einen mitvertretenen Gläubiger deshalb die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Betrugsgesellschaft. In dem Antrag legte er ausführlich dar, dass und warum die Gesellschaft bereits seit mindestens 1 Jahr insolvenzreif war. Damit hatte er sich und seinen Anlegern ein doppeltes Grab geschaufelt:

„Die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen einerseits und von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen andererseits hat der Anwalt zu kennen“, so der BGH. Er hat den Fall zurückverwiesen, weil noch nicht geklärt war, ob eine zügige Zwangsvollstreckung ebenfalls zur alsbaldigen Insolvenzverfahren geführt hätte oder ob die Betrugsfirma zumindest noch die 3-Monatsfrist überlebt hätte. Die Fallgestaltung sprach dafür.

FAZIT:

Wer in der Insolvenznähe eines Schuldners taktische Anträge stellt, sollte sich besser sehr gut auskennen mit dem Insolvenzverfahren oder die Füße stillhalten. „Si tacuisses“, wie der Lateiner sagt, oder auf Deutsch: Schweigen wäre hier mal wieder Gold gewesen.

„Si tacuisses!“ oder: „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht so laut brüllen“ Zuletzt aktualisiert: 31.07.2018 von Barbara Brenner
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