Swiss gategourmet’s Londoner Restrukturierungsplan bekommt keine Anerkennung in der Schweiz
17.02.2021 – London
Der High Court of Justice hat heute entschieden, dass das neue britische Restrukturierungsverfahren tatsächlich ein Insolvenzverfahren im Sinne des Luganer Abkommens ist. Damit unterliegt es nicht der Anerkennungspflicht durch die Vertragsstaaten, z.B. durch die Schweiz.
Die Schweiz erkennt traditionell keine ausländischen Insolvenzverfahren an. Weder Gerichtsentscheidungen wie die Restschuldbefreiung werden anerkannt noch die Legitimität von ausländischen Insolvenzverwaltern, die in der Schweiz nicht einmal klagebefugt sind (Ausnahmen gelten lt. einiger alter Staatsverträgen nur für deutsche Insolvenzverwalter, die in den ehemaligen Königreichen Württemberg, Bayern und Sachsen ansässig sind!). Das außergerichtliche Restrukturierungsverfahren, um das es im Falle der Fa. gategourmet geht, wurde von allen EU-Mitgliedsstaaten eingeführt (in Deutschland zuletzt!), um Unternehmen in der Krise zu helfen, ihre (oder einzelne) Alt-Verbindlichkeiten abzuschütteln, ohne dass sie zwingend ein – meist toxisches – Insolvenzverfahren beantragen müssen. Es ähnelt in wesentlichen Zügen der französischen „procédure de conciliation“. In England geht es auf das berühmte „scheme of arrangement“ zurück, das in der Beraterszene sehr empfohlen wurde. Deshalb ging man nach London. Dieses „scheme“ war ein gläubigerbestimmtes Verfahren, das einen (teilweisen) Verzicht von Forderungen und eine Einigung über dingliche Sicherheiten zum Gegenstand hatte. Es konnte somit zivilrechtlich angeknüpft werden. Ein Vergleich, der in einem solchen „scheme“ abgeschlossen – und gerichtlich bestätigt – wurde, konnte deshalb auf Basis des Luganer Abkommens (einem Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheiden zwischen der Schweiz, Liechtenstein und Norwegen auf der einen Seite, und der EU auf der anderen Seite) als zivilrechtliches Verfahren eingeordnet werden, sodass die Entscheidung eines englischen Gerichts von der Schweiz ohne Weiteres hätte anerkannt und umgesetzt werden müssen. Der Brexit hätte das nicht verhindert, weil Großbritannien sämtliche Rechtssetzungsakte der EU ausdrücklich und freiwillig in sein nationales Recht umgesetzt hatte. Diese Umsetzungsakte gelten natürlich auch nach dem Brexit fort.
Zumindest der High Court of Justice in London ist aber jetzt der Auffassung, dass ein Restrukturierungsplan neuen Rechts nicht mehr zivilrechtlich angeknüpft werden kann, sondern dass es sich um ein Insolvenzverfahren im weiteren Sinne handelt. Es kann daher nur nach der EuInsVO innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten Anerkennung finden; die EuInsVO wurde von der Schweiz aber nicht gezeichnet, so dass die in der Schweiz ansässigen Gläubiger der gategourmet an den Plan nicht gebunden wären. Ihre Forderungen gelten also nicht als erlassen – außer natürlich in England. Sollte gategourmet also Vermögen in England besitzen, könnten die Gläubiger, deren Forderungen durch den Restrukturierungsplan erlassen wurden, hierauf nicht mehr zugreifen. Sollte das Vermögen hauptsächlich in der Schweiz belegen sein, brauchen die Gläubiger sich um den Forderungserlass nicht zu kümmern und können ihre Forderungen trotz eines entgegen stehenden Urteils des Londoner High Court in der Schweiz jedenfalls weiter vollstrecken. Eine mißliche Situation für gategourmet, die man aber hätte vorhersehen können.
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