StaRUG – ein außergerichtliches Restrukturierungsverfahren für KMU?

Der Gesetzgeber hatte in § 16 StaRUG angeordnet, dass das BMJ eine Checkliste für Restrukturierungspläne zu erarbeiten und bekannt zu machen hat, welche an die Bedürfnisse von KMU angepasst ist (gemeint waren freilich wieder einmal KMU als Schuldner und nicht als Gläubiger). Diese Checkliste wird dann auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht werden.

Warum sollten Sie sich damit befassen?
Beim Auslaufen der Corona-Hilfen und immer dann, wenn die Konjunktur wieder anzieht, sind etliche Insolvenzen zu erwarten. Nach der Corona-Pandemie werden es vor allem KMU sein, die am Ende der Liquidität angekommen sind, aber Waren ordern und Personal einstellen müssen. Es kann daher durchaus sinnvoll sein, diesen KMU durch schlanke außergerichtliche Schuldenerlass-Pläne zu helfen, am Markt bestehen zu bleiben. Denn durch jede Abwicklungs-Insolvenz geht nicht nur ein Kunde verloren, sondern auch ein Absatzweg.

Die Checkliste des BMJ soll möglichst alle Anforderungen enthalten, die von Gesetzes wegen an einen solchen Restrukturierungsplan gestellt sind. Da über die Restrukturierungspläne, die auf dieser Basis aufgestellt wurden, das Restrukturierungsgericht zu entscheiden haben wird, soll diese Checkliste eine gewisse Rechtssicherheit vermitteln.

Die Checkliste wird freilich nach wie vor keine Aussage über Art und Tiefe der Finanzplanung oder der Vergleichsrechnung mit einem gerichtlichen Insolvenzverfahrens enthalten. Hier spielt aber natürlich die Musik, insbesondere wenn es um die Nachhaltigkeit der Sanierung des Kunden und um die Kosten eines solchen außergerichtlichen Planverfahrens geht (vom Stellenabbau bis zu den Beraterkosten). Je höher die Anforderungen an Inhalt und Umfang der Sanierungspläne sind, desto teurer wird es natürlich. Und dann wird es für KMU schnell unerreichbar und für die Geschäftspartner/Gläubiger zu aufwändig und damit uninteressant.

Das BMJ hat zwischenzeitlich selbst (!?) eine Checkliste entworfen, die als Entscheidungsgrundlage dienen soll, und hat diese den Verbänden zur Stellungnahme übersandt. Sie ähnelt auffallend dem Muster-Inhalt von Insolvenzplänen, ABER:

VORSICHT bei Kreditsicherheiten:
In einem außergerichtlichen Restrukturierungsverfahren dürfen die (nicht besicherten) Gläubiger allein über einen Eingriff in die dinglichen Kreditsicherheiten anderer Gläubiger (verlängerter Eigentumsvorbehalt, Sicherungszession von Forderungen, Sicherungsübereignung von Warenlägern, das Spediteurpfandrecht, Immobiliarsicherheiten…) abstimmen (§ 2 Abs. 1 Ziff. 2 StaRUG, s.u.)! Diese Kreditsicherheiten, die ausschließlich dafür kreiert wurden, in dieser Situation ihre Wirkung zu entfalten, können also im Nachhinein vollständig entwertet werden. Gegen die Abwertung ihrer Sicherheiten können die Gläubiger sich gegenüber dem Gericht zwar wehren; das bedeutet aber immer Aufwand: Personalbindung, Anwaltskosten. Im gerichtlichen Insolvenzplanverfahren wäre das nicht zulässig: Hier wird die Zustimmung des betroffenen Gläubigers vorausgesetzt und seine Zustimmungserklärung ist dem Insolvenzplan beizufügen (§ 228 InsO, s.u.). Das ist vielen Insolvenzverwaltern und Planberatern freilich nicht sehr geläufig, und den Gerichten, die den Plan ablehnen müssten, allzu häufig leider auch nicht. Auch hier ist also Aufwand erforderlich, aber der lohnt sich.

Gläubigerverbände, Lieferanten und Industrie können auf die Gestaltung und die Inhalte der Checkliste jetzt nochmal Einfluss nehmen. Das Ziel ist:
– schlank
– machbar
– zügig
und
– für Gläubiger und Gerichte einfacher nachprüfbar!

Deadline für die Einreichung der Stellungnahme beim BMJ ist der 11. März 2022.

Bonn, den 17.02.2022
B. Brenner
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§ 2 StaRUG – Gestaltbare Rechtsverhältnisse
(1) Auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans können gestaltet werden:
1. …
2. die an Gegenständen des Schuldnerischen Vermögens bestehenden Rechte, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Absonderung berechtigen würden, es sei denn, es handelt sich bei ihnen um Finanzsicherheiten iSd § 1 Abs. 17 KWG…“

§ 228 InsO – Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse
Sollen Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden, so können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufgenommen werden. …“

Das außergerichtliche Restrukturierungsverfahren, Änderungen der Insolvenzordnung u.a.

Am 18./19.02.2021 hat unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Georg Bitter eine Online-Veranstaltung des Zentrum für Insolvenz und Sanierung der Universität Mannheim stattgefunden, die sich schwerpunktmäßig mit den Änderungen der Insolvenzordnung befasst hat, die seit dem 1.1.2021 in Kraft getreten sind. StaRuG, COVInsAG, SanInsFoG – in der Veranstaltung wurde das Ausmaß der Änderungen deutlich, die – vor allem im Hinblick auf Ausnahmen-Ausnahmen und Zeitraum-Regelungen – auch für Fachleute kaum noch zu überblicken sind.

Die Grundzüge der Neuerungen wurden von dem Autor im Justizministerium, Herrn Bornemann, vorgestellt. Sodann ging es um Themen wie

  • die Eigenverwaltung nach neuem Recht, die erheblich erschwert wurde,
  • das Restrukturierungsverfahren, seine Chancen und (Un-)Möglichkeiten,
  • die Auswirkung auf Verträge
  • die Erwartung der Beteiligten an die neuen/alten Restrukturierungsrichter*innen
  • die Anfechtungs“privilegien“ und ihre Unklarheiten sowie

last but not least

  • die Pflichten und die Haftung der Geschäftsführer nach den neuen Regeln.

Gerade zu letzterem Punkt wurde deutlich, wie gut ein Geschäftsführer orientiert sein muss, um in der Krise seines Unternehmens unbeschadet und straffrei zwischen Skylla und Charybdis hindurch zu navigieren.

Letztlich war das Auditorium sich darüber einig, dass die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ihre Rolle künftig wesentlich ernster nehmen müssen, indem sie ihre Klienten auch ohne besonderen Beratungsvertrag auf mögliche Insolvenzantragspflichten hinweisen müssen.

An dieser Stelle werden in Zukunft einzelne Beiträge zu den brisatnen Themen erscheinen.

Hier ist noch das Programm der sehr aufschlussreichen Veranstaltung:

https://www.uni-mannheim.de/zis/veranstaltungen/sonderveranstaltung-zur-reform-2021/

Swiss gategourmet’s Londoner Restrukturierungsplan bekommt keine Anerkennung in der Schweiz

17.02.2021 – London

Der High Court of Justice hat heute entschieden, dass das neue britische Restrukturierungsverfahren tatsächlich ein Insolvenzverfahren im Sinne des Luganer Abkommens ist. Damit unterliegt es nicht der Anerkennungspflicht durch die Vertragsstaaten, z.B. durch die Schweiz.

Die Schweiz erkennt traditionell keine ausländischen Insolvenzverfahren an. Weder Gerichtsentscheidungen wie die Restschuldbefreiung werden anerkannt noch die Legitimität von ausländischen Insolvenzverwaltern, die in der Schweiz nicht einmal klagebefugt sind (Ausnahmen gelten lt. einiger alter Staatsverträgen nur für deutsche Insolvenzverwalter, die in den ehemaligen Königreichen Württemberg, Bayern und Sachsen ansässig sind!). Das außergerichtliche Restrukturierungsverfahren, um das es im Falle der Fa. gategourmet geht, wurde von allen EU-Mitgliedsstaaten eingeführt (in Deutschland zuletzt!), um Unternehmen in der Krise zu helfen, ihre (oder einzelne) Alt-Verbindlichkeiten abzuschütteln, ohne dass sie zwingend ein – meist toxisches – Insolvenzverfahren beantragen müssen. Es ähnelt in wesentlichen Zügen der französischen „procédure de conciliation“. In England geht es auf das berühmte „scheme of arrangement“ zurück, das in der Beraterszene sehr empfohlen wurde. Deshalb ging man nach London. Dieses „scheme“ war ein gläubigerbestimmtes Verfahren, das einen (teilweisen) Verzicht von Forderungen und eine Einigung über dingliche Sicherheiten zum Gegenstand hatte. Es konnte somit zivilrechtlich angeknüpft werden. Ein Vergleich, der in einem solchen „scheme“ abgeschlossen – und gerichtlich bestätigt – wurde, konnte deshalb auf Basis des Luganer Abkommens (einem Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheiden zwischen der Schweiz, Liechtenstein und Norwegen auf der einen Seite, und der EU auf der anderen Seite) als zivilrechtliches Verfahren eingeordnet werden, sodass die Entscheidung eines englischen Gerichts von der Schweiz ohne Weiteres hätte anerkannt und umgesetzt werden müssen. Der Brexit hätte das nicht verhindert, weil Großbritannien sämtliche Rechtssetzungsakte der EU ausdrücklich und freiwillig in sein nationales Recht umgesetzt hatte. Diese Umsetzungsakte gelten natürlich auch nach dem Brexit fort.

Zumindest der High Court of Justice in London ist aber jetzt der Auffassung, dass ein Restrukturierungsplan neuen Rechts nicht mehr zivilrechtlich angeknüpft werden kann, sondern dass es sich um ein Insolvenzverfahren im weiteren Sinne handelt. Es kann daher nur nach der EuInsVO innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten Anerkennung finden; die EuInsVO wurde von der Schweiz aber nicht gezeichnet, so dass die in der Schweiz ansässigen Gläubiger der gategourmet an den Plan nicht gebunden wären. Ihre Forderungen gelten also nicht als erlassen – außer natürlich in England. Sollte gategourmet also Vermögen in England besitzen, könnten die Gläubiger, deren Forderungen durch den Restrukturierungsplan erlassen wurden, hierauf nicht mehr zugreifen. Sollte das Vermögen hauptsächlich in der Schweiz belegen sein, brauchen die Gläubiger sich um den Forderungserlass nicht zu kümmern und können ihre Forderungen trotz eines entgegen stehenden Urteils des Londoner High Court in der Schweiz jedenfalls weiter vollstrecken. Eine mißliche Situation für gategourmet, die man aber hätte vorhersehen können.

Quelle:

https://globalrestructuringreview.com/financial-restructuring/lugano-bankruptcy-exclusion-applies-uk-restructuring-plans-english-court-rules?utm_source=Lugano+bankruptcy+exclusion+applies+to+UK+restructuring+plans&utm_medium=email&utm_campaign=GRR+Alerts