Pfändungsfreigrenzen werden ab dem 1.7.2021 deutlich erhöht

Zum 01.07.2021 werden die Pfändungsfreibeträge nach § 850c ZPO um 6,28% erhöht. Dies gilt spiegelbildlich auch im Privatinsolvenzverfahren und im Regelinsolvenzverfahren für Freiberufler und andere Selbständige.

Der Pfändungsgrundfreibetrag nach § 850c ZPO beträgt nun 1.252,64 € (bisher 1.178,59 €). Die Erhöhungsbeiträge für Unterhaltspflichten betragen nun 443,57 € für die erste Unterhaltspflicht und je 262,65 € für die zweite bis fünfte Unterhaltspflicht.

Amtliche Pfändungstabelle 2021 (Auszug aus dem Bundesgesetzblatt)

Arbeitgeber müssen die Pfändungsfreigrenzen bei einer Lohnpfändung von Amts wegen beachten und den abzuführenden Betrag selbst neu ausrechnen.

Dazu finden Sie hier zwei praktische Arbeitshilfen:

Übersichtstabelle in 100er-Schritten der LAG Schuldnerberatung Hamburg für die Praxis

Excel-Pfändungsrechner der LAG Schuldnerberatung Hamburg

Anfechtungsrecht: Unternehmen dürfen hoffen – Zwangsvollstreckung nun doch kein ausreichendes Indiz mehr für Zahlungsunfähigkeit

Nachdem der BGH am 1. Juni 2017 eine Zwangsvollstreckung des Finanzamts noch lediglich unter dem Aspekt der Rechtshandlung (ablehnend) gewürdigt hatte, hat er kurz darauf in gleich zwei aufeinanderfolgenden Entscheidungen erkannt, dass die Zwangsvollstreckung für sich allein genommen nun doch kein ausreichend sicheres Indiz für eine (drohende) Zahungseinstellung des Kunden mehr ist, und zwar weder in Form der Einmal-Zahlung (Urteil vom 22.06.2017 Az. IX ZR 111/14) noch in Form einer Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Gerichtsvollzieher nach § 806b a.F. ZPO (Urteil vom 06.07.2017 Az. IX ZR 178/16 ). Und das, obwohl vor der Zwangsvollstreckung in beiden Fällen selbstverständlich das gesamte Mahn- und Droh-Programm abgespult worden war.

In dem Fall vom 22.06.2017 hatte der Kunde sogar zunächst eine Abschlagszahlung wie verlangt pünktlich bezahlt, die zweite Zahlung konnte er aber schon nur noch teilweise und auch nicht pünktlich bezahlen, und die übrig gebliebene Restsumme mußte angemahnt, tituliert und sodann vollstreckt werden. Das OLG Dresden hatte das Unternehmen denn auch zur Rückzahlung verurteilt und das war ja auch jahrelang der BGH-Klassiker für eine Zahlungsunfähigkeit! Jetzt nicht mehr.

Der BGH konzediert endlich, dass es für eine Nicht-Zahlung von titulierten Ansprüchen auch andere Gründe gibt als nur den Mangel an Zahlungsmitteln, z.B. Nachlässigkeit (na ja!). Deshalb sei die Zwangsvollstreckung kein ausreichend sicheres Indiz mehr für eine eingetretene oder bevorstehende Zahlungsunfähigkeit. Hört, hört!

Das Ergebnis ist richtig, der Weg vielleicht nicht ganz. ABER:

Ganz am Rande wird vorsichtig und zaghaft ein ganz anderer – und wie ich meine wesentlicher – Aspekt (endlich) angesprochen:

In erfrischend juristischen Ausführungen legt der Senat dar, dass es in § 133 Abs. 1 InsO gar nicht darum geht, den – durch die ZPO gesetzlich ausdrücklich erlaubten (!) – Wettlauf der Zwangsvollstreckungen zu korrigieren (first strike – first go); das werde bereits durch §§ 130 – 131 InsO abschließend erledigt (meine Rede!). § 133 Abs. 1 InsO korrigiere lediglich einen unfairen Vorteil, den ein Gläubiger sich mit Hilfe des Schuldners in diesem Wettlauf gegenüber anderen Gläubigern verschafft habe. DA liegt also der Hase im Pfeffer!

Was ist passiert? Ein Personalwechsel?

Es sieht ganz so aus: Das Urteil wurde von Herrn RiBGH Dr. Schoppmeyer mit verfasst, der genau diese Systematik des § 133 InsO bereits in einem sehr lesenswerten Aufsatz in der NZI 4/2005, S. 185 ff. („Besondere und allgemeine Insolvenzanfechtung am Beispiel der Anfechtung von Zwangsvollstreckungen“) erstmalig in dieser Klarheit herausgearbeitet hatte, damals noch als Richter am OLG Karlsruhe. Seit einiger Zeit ist er nun beim BGH tätig und seitdem lesen sich manche von ihm mit unterschriebenen Urteile erfrischend juristisch!

Das nachfolgende Urteil vom 6.7.2017 wurde zwar nicht mehr von ihm mit verfasst, aber die übrigen Richter beziehen sich ausdrücklich auf die Vor-Entscheidung und folgen dieser in jedem Punkt. (Eventuell muss man bei den Rechtsmitteln nicht mehr unbedingt auf die Besetzung des Senats schielen…) Allerdings war hier die Besonderheit, dass es sich um einen erstmaligen Kundenkontakt und um eine relativ geringfügige Forderung gehandelt hatte, die nur im Wege der Raten-Vollstreckung erledigt werden konnte. Die Vorinstanz (LG Köln) hatte dies bereits ebenso gesehen und das wurde vom BGH auch so bestätigt.

Mein Rat:

Künftig wird es den Verwaltern also darum gehen, den unfairen Vorteil herauszuarbeiten, den Sie sich gegenüber anderen Gläubigern angeblich verschafft haben. Da kommt einer beherrschenden Stellung und der Drohung mit der Einstellung der Belieferung sicherlich wieder eine gewisse Bedeutung zu, aber eben NICHT die Einstellung der Belieferung wegen der Einhaltung des internen Kreditlimits! Das ist etwas völlig anderes! Es bleibt jetzt abzuwarten, wo der BGH genau die Fairness-Grenze zieht.

Verfolgen Sie Ihre Abwehrstrategie also unbedingt bis zum BGH weiter! Auch wenn es sich nicht um einen Vollstreckungsfall handelte. Lassen Sie sich nicht durch Verurteilungen von LG und OLG entmutigen (insbesondere nicht vom OLG Dresden!). Verteidigen Sie sich rechtzeitig und richtig und halten Sie dann durch – es könnte sich auch in Ihrem Fall lohnen.

Geben Sie mir Ihre Fälle gern zur Überprüfung herein; eine kursorische Einschätzung erhalten Sie von mir kostenlos!