Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Impf-Nachweispflicht für Pflegepersonal (sog. „einrichtungs- und unternehmensbezogene Impfnachweispflicht“)

Mit seinem Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Einführung einer besonderen Impflicht für Ärzt+innen und Pflegepersonal durch die neu eingeführten Vorschriften der § 20a, § 22a und § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h des Infektionsschutzgesetzes (IfSG, früher: Bundesseuchengesetz) für verfassungsmäßig erklärt. Demnach sind bestimmte Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege ab sofort verpflichtet, den Gesundheitsämtern eine COVID-19- Schutzimpfung, eine Genesung von der COVID-19-Krankheit oder eine medizinische Kontraindikation gegen eine Impfung für ihr Personal nachzuweisen (sogenannte „einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“).

Auch wenn man einer generellen Impfpflicht grundsätzlich deutlich positiv gegenübersteht, wie die Verfasserin, muss man bei einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Beschluss zu dem Ergebnis kommen, dass das BVerfG bei seiner Überprüfung der Verhältnismäßigkeit dieser besonderen Impfpflicht deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben ist. Kritisch sieht die Verfasserin insbesondere

  • dass der Schutz der Patienten mit der Impfpflicht nur mäßig verbessert werden kann, Lücken sind also eingeplant,
  • dass die Impfrisiken nicht gegen den mäßigen Mehrwert abgewogen wurden, und
  • dass die Prüfung von PCR-Tests für ungeimpftes Personal als milderes Mittel bei gleichzeitig erheblich besserer Eignung zu oberflächlich vorgenommen wurde.

Sachverhalt:

Nach § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG müssen Personen, die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege tätig sind, seit Ablauf des 15. März 2022 der jeweiligen Einrichtungs- oder Unternehmensleitung einen Nachweis darüber vorlegen, vollständig gegen COVID-19 geimpft oder davon genesen zu sein. Ausgenommen sind nur Personen mit einer medizinischen Kontraindikation. Wird kein ordnungsgemäßer Nachweis vorgelegt, hat die Einrichtungs- oder Unternehmensleitung unverzüglich das Gesundheitsamt zu benachrichtigen. Dieses kann dann gegenüber den betroffenen Personen nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot verfügen.

Personen, die erst ab dem 16. März 2022 in den in § 20a IfSG genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden sollen, haben vor Beginn ihrer Tätigkeit einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Andernfalls dürfen sie dort weder beschäftigt noch tätig werden. Verschiedene Einzelregelungen des § 20a IfSG sind bußgeldbewehrt (vgl. § 73 Abs. 1a Nr. 7e bis 7h IfSG).

20a IfSG und die zugehörigen Bußgeldregelungen treten zum 1. Januar 2023 – also mitten in der nächsten Welle – wieder außer Kraft (wenn sie nicht verlängert werden!)

Begründung:

Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, die angegriffenen Vorschriften verletzten die Beschwerdeführer+innen nicht unverhältnismäßig in ihren Rechten, insbesondere in ihren Freiheitsrechten aus Art. 2 Abs. 2, Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG. Die Verfassungsrichter+innen haben zwar durchaus gesehen, dass die Regelungen in die genannten Grundrechte eingreifen, und zwar durchaus auch erheblich; sie waren aber – sachverständig beraten – der Meinung, dass diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt seien, weil sie verhältnismäßig seien.

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 19 Abs. 4 GG. Demnach sind Grundrechtseingriffe stets darauf zu prüfen, ob sie

  • geeignet sind,
  • ein legitimes, d.h. verfassungsgemäßes Ziel des Staates zu erreichen,
  • und ob sie erforderlich sind, d.h. ob kein milderes Mittel mit gleicher Effizienz zur Verfügung steht.

Selbstverständlich sind auch die Wertigkeiten der betroffenen, sich gegenüberstehenden Werte und die Tiefe des Grundrechtseingriffs zu bewerten. Dabei darf z.B. der Kernbereich eines Grundrechts niemals angetastet werden. Das ist bei der Impfpflicht aber auch nicht der Fall.

Das Gericht hat eine Vielzahl von Sachverständigen Institutionen „angehört“, z.B.

  • das RKI – Rz. 50 ff,
  • das für die Zulassung und Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) (Rz 53 ff),
  • die Bundesärztekammer – Rz. 56ff,
  • die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung – Rz 58f,
  • die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) und das Helmholtz-Institut für Infektionsforschung (HZI) – Rz 60f,
  • die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie – Rz 62,
  • die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) – Rz 64,
  • die Deutsche Gesellschaft für Virologie (GfV) – Rz. 65f,

Sämtliche Institutionen haben bestätigt, dass ältere Patienten mit und hne Vorerkrankungen besonders empfindlich und häufiger mit schweren Verläufen auf eine Infektion mit SARS-COV 19 reagieren als jüngere Menschen. Sie haben aber auch bestätigt, dass es trotz der Impfung zu einer Neu-Infektion mit einer – teils sogar hohen – Belastung mit Viren kommen kann, die Kontagiosität also durch die Impfung nicht ausgeschlossen wird. Allerdings sei der Zeitraum der Kontagiosität kürzer.

Keine Institution hat sich zur Gefahrenlage potenzieller Impfschäden für die Betroffenen geäußert. Es ist deshalb anzunehmen, dass eine entsprechende Frage auch gar nicht gestellt wurde.

Bei der Frage, ob inwieweit PCR-Tests ein gleich – oder sogar besser – geeignetes Mittel zur Verhinderung der Ansteckung sind, hat das Gericht sich des Weiteren ausschließlich auf die – relativ betagten – Feststellungen in der Gesetzesbegründung (BTDrucks. 20/188, S. 37) sowie auf ein Bulletin des RKI (Epidemiologisches Bulletin 17/21, S. 15) und 2 Lageberichte des RKI vom 2. und 9. Dezember 2021 zurückgezogen.

Das Gericht führt zu PCR-Tests als Alternative wörtlich aus:

Rz. 194:

„Insoweit sind PCR-Tests zwar zuverlässiger und zeigen eine Infektion bereits in einem früheren Infektionsstadium an. Verpflichtende PCR-Tests im Gesundheits-, Pflege- und Betreuungsbereich wären gleichwohl kein gleich geeignetes Mittel. So ist schon nicht gesichert, dass die hierfür notwendigen Testkapazitäten vorhanden sind. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (vgl. Wöchentliche Lageberichte vom 2. und 9. Dezember 2021, jeweils S. 27) arbeiteten die Labore schon bei Verabschiedung des Gesetzes teilweise an den Grenzen ihrer Auslastung. Dies ließ konkret besorgen, dass sie schon Anfang Dezember 2021 kaum mehr verlässlich eine zügige Testauswertung ermöglichen konnten.“

Rz. 195:

„Der Gesetzgeber durfte aber auch berücksichtigen, dass sich eingeschränkte und zunehmend angespannte Laborkapazitäten nachteilig auf andere Lebensbereiche auswirken können, in denen sich Personen testen lassen müssen. Ungeachtet dessen wären der zeitliche und organisatorische Aufwand sowie die Kosten von zwei bis drei wöchentlichen PCR-Tests immens, was – ebenso wie ein Ausbau der Testkapazitäten – mit einer erheblichen Belastung der Allgemeinheit einherginge. Der ganz überwiegenden Zahl der im Gesundheits-, Pflege- und Betreuungsbereich Tätigen könnten die entstehenden Kosten auch kaum auferlegt werden.“

und schließlich Rz. 196:

„Letztlich ist aber auch das Zeitfenster zwischen einer PCR-Testung und dem vorliegenden Testergebnis zu beachten. Denn die Dauer von der Infektion bis zum Beginn der eigenen Ansteckungsfähigkeit (Infektiosität) lässt sich nicht für jeden Einzelfall verlässlich bestimmen. Denkbar sind auch sehr kurze Intervalle bis zum Beginn der Ansteckungsfähigkeit, denn eine Ansteckung anderer Personen ist schon am Tag nach der eigenen Infektion oder sogar am selben Tag möglich (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 26. November 2021). Daher kann eine Person selbst nach einer negativen PCR-Testung infektiös sein, weil sie sich jederzeit nach der Probenentnahme infizieren kann.“

Der Gesetzgeber habe damit im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums einen angemessenen Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsgütern gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschwerdeführer+innen letztlich zurücktreten, so das Bundesverfassungsgericht.

Wenngleich anzuerkennen ist, dass die Verfassungsrichter+innen auf 85 Seiten ein Lehrstück für die Abwägung von Grundrechtseingriffen abgeliefert haben, so sind sie bei der Ermittlung des Sachverhalts doch überraschend weit hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben.

Demnach beruht die Entscheidung vor allem darauf,

  1. dass mit PCR-Tests, die anerkanntermaßen eine höhere Sicherheit für die Patienten bieten, kein gleich oder besser geeignetes und weniger belastendes Mittel zur Verfügung steht,

und auf der Annahme,

  1. dass potenzielle Impfnebenwirkungen und Impfschäden als selten und grds. beherrschbar eingestuft wurden,

ad 1. – PCR-Tests als besser geeignetes Mittel

Das BVerfG hält PCR-Tests zwar auch für geeigneter, geht aber davon aus, dass die Laborkapazitäten nicht ausreichend zur Verfügung stehen und die Kosten im Übrigen unverhältnismäßig seien.

Der Umstand, dass PCR-Tests nicht als adäquate Alternative angesehen wurden, hätte aber einer weiteren Untersuchung bedurft:

  1. Zunächst enthält der Beschluss keinerlei Informationen darüber, wie hoch die vorhandenen Laborkapazitäten tatsächlich sind bzw. bei Verabschiedung des Gesetzes waren, und wie, bis wann und mit welchem Kostenaufwand sie ausgebaut werden könnten. Zum Zeit- und Kostenaufwand für den Ausbau der Laborkapazitäten sowie eventuelles Einsparpotenzial enthält der Beschluss keinerlei Informationen.
  2. Wenn andere Lebensbereiche, in denen diese Tests derzeit ebenfalls durchgeführt werden, eventuell vernachlässigt werden müssten, muss zunächst ermittelt werden, welche das sind, ob die Tests dort ebenso notwendig sind, welche Gefahren für die Allgemeinheit mit einem Wegfall konkret verbunden wären, ob man diese anders auffangen kann und ggfls., wie lange die Konkurrenzsituation andauern würde.
  3. Das Zeit-Gap zwischen Test und Testergebnis kann entschärft werden, wenn man die PCR-Tests jeweils NACH der Schicht durchführt, denn bis zum Beginn der neuen Schicht kann das Ergebnis bereits vorliegen, und die Gefahr, dass sich inzwischen eine kontagiöse Virenlast aufgebaut hat, scheint in dieser Zeit genauso hoch (bzw. niedrig) zu sein wie beim geimpften Personal. Den Vergleich zum geimpften Personal hat das Gericht insoweit versäumt.

Erst wenn zuverlässige Informationen hierzu vorliegen und die Effizienz von besser geeigneten Alternativ-Maßnahmen mit milderem Eingriff geprüft wurde, kann man den Grundrechtseingriff gegen das gesetzgeberische Ziel seriös abwägen.

Neu war für mich vor allem, dass das Gericht – soweit ersichtlich erstmalig – die Kostenbelastung eines besser geeigneten Mittels (PCR-Tests für das ungeimpfte Pflegepersonal) gegen den Grundrechtseingriff und die damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Impfpflichtigen als höherwertig eingestuft hat.

Auch die Frage, bei wem die Kostenlast anfallen könnte, wurde nicht ausreichend geklärt. In Betracht kommt z.B. die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Diese hat nicht nur die Kosten für Unfallfolgen von Patienten in der Klinik zu decken, sondern auch die von Berufserkrankungen des Pflegepersonals und der Ärzt+innen. Es ist daher sachgerecht, ihr auch die Vermeidungskosten aufzuerlegen, zumal die Beiträge von den Einrichtungen bezahlt werden und die BGW nicht gerade an einer Knappheit von Mitteln leidet. Außerdem hätte eine Verteilung der Kostenlast auf die GKVen, die PKVen, den Fiskus und die BGW in Betracht gezogen werden können.

Da die Ansteckungsgefahr durch die Impfpflicht letztlich auch keinesfalls beseitigt, sondern nur reduziert wird, steht das Verhältnismäßigkeitsprinzip also nach wie vor in Frage.

ad 2. – Impfrisiken

Mit der Abwägung der Impfnebenwirkungen setzt sich der Beschluss zu Rzn. 222 – 227 auseinander. Das BVerfG hat sich dabei auf den Sicherheitsbericht des PEI vom 26.10.2021 verlassen. Demnach wurde nur bei 78 der im Zeitraum vom 27.12.2020 bis 30.09.2021 gemeldeten 1.919 Todesfall-Verdachtsmeldungen ein Zusammenhang mit der Impfung bescheinigt. Darauf und auf das Perikarditis- und Allergierisiko hätten die StIKO und die Ärzteverbände aber reagiert und die Impfempfehlung und die (Kontra-)Indikationskriterien entsprechend angepasst. Nicht erwähnt wurde, dass es keine Meldepflicht gibt, und die gemeldeten Fälle daher zufällig, nicht repräsentativ und schon gar nicht vollständig sind.

Das BVerfG führt dazu aus:

Rz. 227:

„Steht daher zu erwarten, dass solche von fachkundigen Stellen zeitnah nach entsprechenden Verdachtsmeldungen getroffenen Vorkehrungen die ohnehin geringen Impfrisiken noch weiter reduzieren, und ist zudem zu berücksichtigen, dass die im Verhältnis zur Gesamtzahl verabreichter Impfdosen bereits relativ geringe Melderate nicht die tatsächlich eingetretenen Impfrisiken abbildet, weil bei weitem nicht bei jeder Verdachtsmeldung ein Kausalzusammenhang mit der Impfung gesichert ist, kann davon ausgegangen werden, dass entsprechende Nebenwirkungen oder gravierende Folgen ganz überwiegend nicht eintreten. Dies schließt zwar nicht jede außergewöhnliche Impfreaktion aus, was auch der Gesetzgeber schon ausweislich von § 2 Nr. 11, §§ 60 ff. IfSG nicht in Abrede stellt. Bei der abwägungsgeleiteten Gegenüberstellung grundrechtlich geschützter Belange der von § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG Betroffenen einerseits und der vulnerablen Personen andererseits ist es gleichwohl verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern vielmehr geboten, dass der Gesetzgeber nicht nur die Möglichkeit außergewöhnlicher Impfreaktionen und gravierender Folgen als solche einbezogen, sondern sich auch mit deren Wahrscheinlichkeit unter fortlaufender Beobachtung durch fachkundige Stellen wie dem Paul-Ehrlich-Institut befasst hat.“

Übersetzt heißt das nichts weniger als

„Auch um eine nur mittelmäßige Verbesserung des Schutzes der Patienten zu erreichen, müssen Ärzt+innen und Pflegepersonal sich einem Gesundheits-Risiko aussetzen oder ihren Beruf aufgeben, weil uns bessere Maßnahmen (PCR-Tests) zu aufwändig erscheinen.“

Thesen:

  1. Nach den Feststellungen des BVerfG kann auch nicht geimpftes Personal die Infektion an die Patienten weitergeben. Dies kann letztlich nur durch PCR-Tests vermieden werden. Das Gericht hat zur Frage der Kapazitäten und der Kosten aber keine Datenlage angefragt und ist pauschal davon ausgegangen, die Kosten seien unverhältnismäßig. Das hätte einer genaueren Untersuchung bedurft, insbesondere zu den Fragen
    • wie hoch die vorhandenen Laborkapazitäten tatsächlich sind,
    • bis wann und mit welchem Kostenaufwand sie ggfls. ausgebaut werden könnten,
    • ob man die Kosten zwischen den GKV’en, den PKV‘en, dem Fiskus und der BG aufteilen könnte,
    • welche anderen andere Lebensbereiche von PCR-Tests in der Zwischenzeit entlastet werden könnten,
    • u. a.

 

  1. Durch die Vernachlässigung der PCR-Tests als Alternative zur Vermeidung von Ansteckungen in den Pflegeeinrichtungen hat die Bundesregierung ihren Gestaltungsspielraum bei der Eingrenzung der Gefahr für die Patienten durch das ärztliche und Pflegepersonal bei weitem nicht ausgeschöpft, denn

 

  1. Das Verfassungsgericht hätte alle Möglichkeiten gehabt, zum Ausbau oder zur Umschichtung der Laborkapazitäten weitere Daten zu verlangen, hat es aber nicht. Das Verfassungsgericht ist in diesem Punkt also weit hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben. Ich persönlich hatte das Gericht bei Grundrechtseingriffen, die noch dazu mit nicht unerheblichen Gefahren für Leib und Leben der Betroffenen einhergehen können, als gründlicher in Erinnerung.

 

  1. Obwohl die Verfasserin als staatlich examinierte Krankenschwester Impfungen ausdrücklich befürwortet, ist die partielle Impfpflicht jedenfalls (noch) nicht grundrechtskonform gelungen; das Ziel, die Patienten ausreichend zu schützen, wird durch die partielle Impfpflicht allein mit Sicherheit verfehlt.

 

  1. Insbesondere, wenn man den Nebeneffekt einkalkuliert, dass bis zur Beendigung der Maßnahme am 31.12.2022 noch weniger Pflegepersonal am Krankenbett arbeiten wird, und weitere Menschen sich aus Enttäuschung aus dem Beruf zurückziehen wird, darf diese Maßnahme als kontraproduktiv und als politischer Aktionismus und Missgriff eingestuft werden.

Fazit für die Kliniken und Pflegeeinrichtungen:

Unabhängig von einer gesetzlichen Impfpflicht schulden die Kliniken ihren Patienten aus dem Behandlungsvertrag den bestmöglichen Schutz vor Ansteckung. Da der Einsatz von geimpftem Personal ohne PCR-Tests aber unstreitig nur mittelmäßigen Schutz bietet und durchaus Lücken lässt, reicht es möglicherweise vertragsrechtlich gar nicht aus, allein auf Impfung + Maske abzustellen. Aus dem Behandlungsvertrag folgt deshalb möglicherweise sowieso die Pflicht, tägliche PCR-Tests für alle, auch für das geimpfte Personal, anzuordnen. Es ist nicht sicher, ob der BGH in Haftungssachen allein die Kosten für solche Tests als ausreichend ansehen wird, Dispens zu erteilen und die Patienten weiterhin ganz bewusst einer nicht unerheblichen Gefahr der Ansteckung auszusetzen. Die Klinken sind deshalb gut beraten, sich Laborkapazitäten zu sichern; die Aufgabe der Kliniklobbyisten ist es, dafür zu sorgen, dass die Kosten hierfür gesetzlich den GKV’en und PKV‘en, dem Fiskus und/oder der BGW auferlegt oder unter allen aufgeteilt werden.

Das, und eine 5-jährige Befreiung von der Lohnsteuerpflicht (!), wären Ausdruck einer Anerkennung des Pflegeberufes und könnten – zusammen mit flexiblen Arbeitszeiten und fröhlichen Tages- und Nachteinrichtungen für die Kinder der Ärzt+innen, Schwestern und Pfleger – dafür sorgen, dass qualifiziertes ärztliches und Pflegepersonal wieder in die Kliniken zurückströmt und wieder Freude am Beruf entwickelt. Die Entscheidung des Gesetzgebers und der Beschluss des BVerfG tragen jedenfalls nicht dazu bei.